Deutsch-Polnische Begegnungsschule „Willy-Brandt-Schule” in Warschau

Der 7. Dezember 2020 - ein besonders denkwürdiger Tag für die WBS

Schon seit einigen Wochen wurde in unterschiedlichen Klassen unserer Schule an Plakaten gearbeitet, Kurzfilme gedreht, Texte geschrieben, Zeichnungen angefertigt und intensiv historisch – politisch recherchiert.

Der Grund für diese vielfältigen Aktivitäten war der 50. Jahrestag des Staatsbesuchs von Willy Brandt in Polen. Am 7. Dezember 1970 besuchte er als erster westdeutscher Kanzler die polnische Hauptstadt.

Seine Unterkunft war das Schloss Wilanów, ganz in der Nähe unseres heutigen Schulstandorts. An diesem Tag, den 7. Dezember, legte er einen Kranz am Denkmal des unbekannten Soldaten nieder und unterzeichnete den deutsch-polnischen Vertrag, in dem diplomatische Beziehungen vereinbart wurden und die polnische Westgrenze faktisch anerkannt wurde.

Besonders stark in das Gedächtnis eingeprägt hat sich der Kniefall Willy Brandts am Denkmal der Helden des Ghettos. Diese Geste der Demut und der Scham, vollzogen von einem ehemaligen Widerstandskämpfer, der keine Schuld auf sich geladen hatte, war damals in der Bundesrepublik umstritten und wurde interessanterweise in Polen zunächst kaum beachtet.

Die neue Ostpolitik des Friedensnobelpreisträgers Brandt ermöglichte überhaupt erst, dass in Warschau 1978 eine bundesdeutsche Schule gegründet werden konnte, die schließlich seinen Namen trug und sich zur deutsch-polnischen Begegnungsschule weiterentwickelte.

Am Jubiläumstag, am 7. Dezember, erwies uns der Bundesaußenminister Maas die Ehre- trotz eines vollen Terminkalenders -von Brüssel aus mit 22 Schülerinnen und Schülern unserer Schule eine Stunde lang über diesen Jahrestag und seine Bedeutung zu diskutieren.

In dem offenen und lebhaften Gespräch ging es um die historischen Belastungen des deutsch- polnischen Verhältnisses, vor allem um die verheerenden Folgen des Zweiten Weltkrieges. Insbesondere wurde festgestellt, dass in der breiten deutschen Öffentlichkeit nicht überall bekannt ist, dass es neben dem berühmten Ghettoaufstand von 1943 auch den Warschauer Aufstand von 1944 gab. Viele Polen haben bis heute den Eindruck, dass den nichtjüdischen polnischen Opfern des Zweiten Weltkrieges nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt wird.

Im Laufe der Diskussion kamen auch noch weiter zurückliegende historische Ereignisse zur Sprache wie die lange Zeit der Nichtexistenz eines polnischen Staates nach den Teilungen von 1795 bis 1918 und das Trauma des Ribbentrop-Molotow-Abkommens von 1939.

Unsere Schülerinnen und Schüler thematisierten außerdem die schwierige Lage Polens als sowjetischer Satellitenstaat nach dem Zweiten Weltkrieg und die vielfältigen Herausforderungen und Chancen der Dritten Polnischen Republik nach dem Umbruch 1989/91.

Wie sehr die deutsch – polnischen Beziehungen sich seit 1970 verbessert haben, wurde uns allen auch deutlich, als der Außenminister Maas sagte, dass er sich gleich nach unserem Online-Gespräch in freundschaftlicher und kollegialer Weise mit seinem polnischen Amtskollegen in Brüssel über aktuelle Sicherheitsfragen austauschen werde. Außerdem wollte er ihn auch über unsere Diskussion informieren.
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Nach dieser Veranstaltung fuhr eine Delegation, bestehend aus der Schulleitung und Vertreter*innen der SV, des Vorstands und der Fachschaft Geschichte zum Ghettodenkmal, um dort gemeinsam mit der Botschaft um 10:43 Uhr -genau die Zeit wie vor 50 Jahren – einen Kranz und Blumen niederzulegen. Der Text unserer Kranzschleife erinnert an die Opfer des Warschauer Ghettos und weist auf die Versöhnungsleistung unseres Namenspatrons hin.

Anschließend begab sich die gesamte Gruppe zum Willy-Brandt-Platz gleich hinter dem Jüdischen Museum mit der Gedenkstätte, die explizit mit einer kleinen Plakette an den legendären Kniefall erinnert.
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Die Willy-Brandt-Schule Warschau, die stolz und bewusst diesen Namen trägt, lädt jetzt die gesamte Schulgemeinschaft sowie die breite interessierte Öffentlichkeit herzlich dazu ein, auf unserer Homepage die virtuelle Ausstellung dazu anzuschauen. Unsere Schülerinnen und Schüler haben sich in vielfältiger Weise mit der Thematik beschäftigt. Lassen Sie sich überraschen und inspirieren!

So hat die 7. Jahrgangsstufe zum Thema „Nobelpreisträger“ gearbeitet und so deutlich gemacht, in welch ehrenhafter Gesellschaft sich Brandt befindet.

Aus der 6. und 8. Jahrgangsstufe kamen schöne Plakate und kurze Comics, die das Ereignis aus Schülerperspektive thematisieren.

Die 10. Jahrgangsstufe fertigte ebenfalls gelungene Plakate und auch sehenswerte Kurzfilme zu unserem Jubiläum an.

Die Klassen 10 bis 12 informieren in kurzen Beiträgen über den historischen Verlauf und eigene persönliche Eindrücke 2020 zum damaligen Ereignis.

Außerdem finden sich auf der Homepage zahlreiche Foto – und Filmdokumente sowie künstlerische Bearbeitungen zum 7. Dezember 1970.

Viel Freude beim Anschauen!

Norbert Stüwe


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